Monatsarchiv: August 2010

„L’auberge portugaise“ – meine Zeit als Student in Coimbra

Coimbra vom Fluss aus gesehen

Nach zwei Wochen Reise und ständiger Bewegung wurde ich für die nächsten sieben Wochen wieder sesshaft: Bereits im April hatte ich mich für den Sommerkurs Portugiesisch auf der Universität in Coimbra eingeschrieben – im Mai hatte ich dann ein Quartier vorzeitig organisiert, das für den Verlauf meine Basis werden sollte. Die Pension vermietete sowohl an Touristen als auch an Studenten – hier zog ich ein als Mitglied der bunt zusammengewürfelten WG:

Pflanzen im Flur

Blick aus dem Küchenfenster

Meine Mitbewohnerinnen - Erasmus für ein Jahr

Erasmus sei Dank – Studenten aus ganz Europa im internationalen Austausch bevölkern die WG: Treffpunkt ist die große Küche, jeden abend gegen 20h kommen alle informell zusammen. Am Wochenende gabs immer Fete:

Küchenfete freitag abends

Bis auf eine andere Teilnehmerin am Portugiesisch-Sprachkurs kommen alle aus unterschiedlichen Fachschaften, Sport, Literatur, Architektur, Medizin. Das Vorlesungszeit war offiziell vorbei – jetzt ging es an die Klausuren. Die meisten meiner Mitbewohner waren damit bereits durch, manche blieben ein paar Wochen länger, um auszuspannen oder ihr Budget durch den ein oder anderen Job aufzubessern. Ich fühlte mich wie ein Fisch im Wasser: Junge Leute, lockeres, geselliges Beisammensein, easy going, easy living. Meine Sprachen konnte ich alle anwenden, schnell war man integriert.

und hoch die Tassen!

Meine Bude - frei nach Carl Spitzweg

Blick aus dem Fenster auf das Steinlabyrinth der Altstadt

Ich begriff, dass ich nie ein „Student“ sondern während meiner Zeit an der Berufsakademie lediglich „Studierender“ war. Der Unterschied zwischen beiden ist fein aber bezeichnend. Umso gespannter war ich auf den richtigen Kurs.

Der gesamte 86. Sommerkurs Portugiesisch 2010 (oben, halbrechts, in grün)

Turm mit Aussicht auf die Stadt

Facultade de Letras - Geisteswissenschaften (meine Fakultät)

Grob gesagt kann man die Studenten, die Portugiesisch lernen möchten, in drei Gruppen einteilen:

Schüler: Sind noch auf der Schule und lernen die Sprache als Ergänzung zum Pauken zu Hause. Fast alles Macau-Chinesen, in Klassenstärke vertreten, plus zusätzlicher Aufpasser für die Ausflüge in die Umgebung sowie ins Nachtleben.

Meine Kommilitonen aus Macau

Heute auf Foto – morgen in facebook

Studenten: Studieren etwas „Fachnahes“ und nutzen die Semesterferien, um ihre Kenntnisse um eine weitere Sprache zu ergänzen. Manche können sich den Kurs anerkennen lassen – manche wollen nachher hier ihr Erasmusjahr verbringen. Deutlich sieht man die Gruppenzugehörigkeit nach Nationalitäten: Russland ist ebenso vertreten wie Hispano-Amerika, US-Amerika und die bunt zusammengewürfelte (West-)Europäische Union.

Bei der Diplomübergabe

Der Hispano-Latino Tisch bei der Party

Erwachsene: Die meisten sind hier, weil sie Portugiesisch für den Job brauchen, oder weil sie einfach Portugiesisch lernen möchten: Sei es als Ingenieur für Spanien, z.B. als Missionar für Mosambik. Dieser heterogene Haufen ist der individuellste Part – Altersmäßig von Mitte 20 bis Mitte 60.

Abends im Café

Stadtmauerbesichtigung

Ausflüge in die Umgebung wurden zu den beliebtesten Aktivitäten, nicht nur um die erlernten Sprachkenntnisse anzuwenden – auch um das Land & Leute kennenzulernen. Ganz oben auf der Liste – der Strand von Figueira da Foz:

Abendsonne am Atlantik

Strandmeile mit Promenade

Aber auch in der Stadt selbst war genug los – bei einem nächtlichen Streifzug durch Coimbra konnte man einige nette Begegnungen machen:

Entweder traf man auf verkleidete Fado-Sänger im Harry Potter-Kostüm:

Fado wird nur in Coimbra von Männern gesungen

oder man konnte sogar einer Rosenkönigin über den Weg laufen – zumindestens theoretisch:

Da ist sie, die Königin!!! hinterher…

Beim näheren Hinsehen ergaben sich jedoch manche „optische Täuschungen“:

…oh, das war wohl eine Verwechslung.

Wie peinlich… aber ich glaube das lag wohl am vielen Vinho verde – ein junger, kräftig spritziger Wein, der in den Kopf geht: Siehe unten –

Die Innenstadt von Coimbra – ohne Vinho verde

… nach einer Flasche Vinho verde

Aber Portugal hat noch viel mehr zu bieten: Also rein in die Kiste und Abfahrt!

– Obidos & Peniche:

Mittelalter in Miniatur in Obidos

…und immer das Rad dabei

Die Festung von Peniche

Das ehemalige Gefängnis ist heute ein Museum

– Lissabon

Meine persönliche Tee-Partie mit Fernando Pessoa – vor dem Café Brasil:

…Hut ab vor diesem Dichter

Auf der anderen Seite des Flusses
Vom Flugzeug aus…

Auf Wiedersehen, Portugal – Weiter geht’s nach Afrika!

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3. Etappe: Von Karben bis ans Kap – eine europäische „Roadshow“

Ein zuverlässiger Freund auf dieser Tour: Mein Saab 9-3

Erfahrungen durch „Erfahren“ und eben „nicht fliegen“ – das ist die Quintessenz dieser Etappe: Eine Hommage an das amerikanische Roadmovie der 1960er- und 1970er Jahre, vierzig Jahre später durchgeführt in Europa – dem Kontinent ohne Grenzen und voller Standards. So scheint es.

Mautstationen, Rastplätze und Tankstellen sind die einzigen Haltepunkte. Das Warensortiment variiert minimal, das Geld ist das gleiche, ebenso Musik- und Radioprogramm. Die Landschaft saust weniger als halb so schnell als im Flugzeug an einem vorbei und trotzdem nimmt man die Veränderungen erst nach einigen hundert Kilometern wahr. Spritpreise und Tempolimits interessieren am meisten. Der gute, alte Shell Atlas hat ausgedient – mein Navigationssystem (ver-)führt mich auf manchmal unbekannte Wege durch den Dschungel der subventionierten südeuropäischen Autobahnen.

Man kann ohne weiteres in zwei Tagen die besagte Strecke erfahren – „durchrauschen“ wäre ein besserer Begriff. Das habe ich auf der Rückfahrt gemacht 😉

Auf der Hinfahrt nahm ich mir zwei Wochen Zeit und erfuhr die Distanz auf mehrere Tage verteilt – bemüht, nicht die schnellste, sondern die interessanteste Route zu fahren.

Stil der Reise: Zwischen so...

... und so.

Überquerte Gebirge und berühmte Brücken, fuhr auf Serpentinen und auf Schnellstraßen.Ich traf unterwegs meine Familie, meine Freunde, besuchte historische Sehenswürdigkeiten oder auch nur Orte „wo ich immer schon mal hinwollte“. Ziel war das Kap São Vicente am südwestlichsten Punkt des Kontinents.

Kap São Vicente - Ende Europas und Ausgangspunkt der portugiesischen Entdeckerreisen

Was bleibt sind Eindrücke von fünf sehr verschiedenen Ländern, aufgefangen aus der selben Perspektive. Inspiration gab mir Wim Wenders Film „Lisbon Story“, der streckenweise in den ersten zehn Minuten ähnlich verläuft. Bemerkenswert ist Rüdiger Voglers Statement über Europa:

Eins vorweg: Alles verlief ohne Pannen und nicht wie hier gezeigt:

Pfalz und Elsass

Der Zwischenstopp bei meinen Freunden in der Pfalz hatte es in sich: Besten Wein und eine herzliche Gastfreundschaft. Die erste Grenze von Deutschland nach Frankreich glich einer Bushaltestelle – in Lauterbourg verläuft diese quer durch den Ort. Kaum zu glauben, daß man hier mal kontrolliert wurde… Noch ist die Landschaft die gleiche wie in der Pfalz, nur die Straßenschilder unterscheiden sich. Autobahngebühr gibts im Elsass nicht – ein altes Relikt aus der Besatzungszeit. Strasbourg fliegt mir entgegen, nach kurzer Fahrt stehe ich bei meiner guten Freundin Isabelle in Cronenbourg.

Bei Isa in Cronenbourg/Strasbourg

Strasbourg - Fachwerk und Münster

Tango auf der Straße in Strasbourg mit Gotan Project, Champagner und Panama

Je te remercie pour cettes belles danses

Durch Burgund nach Süden in die Ardèche

Rechts die Vogesen - auf der Fahrt nach Süden

Immer konzentriert - - -

Beaune im Herzen Burgunds

Tunnel bei Lyon

Dorfeinfahrt mit Viadukt

Dorfstraße in Vogüe bei meinem Onkel

Es wurde ein schönes Wiedersehen mit meinem Vater, meinem Onkel und Monsieur Dieter Rack. Wanderungen und Wein fallen mir ein: Quer durch die Schluchten der Ardèche, über Feld und Flur.

Renaissanceschloss in Vogüe

Morgensonne im Schlafzimmer

Flusslauf der Ardèche

Durchs Rhônetal, durch den Regen bis in die Pyrenäen

Lyon

Auf der Landstraße im Languedoc-Roussillon

Eine Fahrt durch Frankreich hat viel mit der legendären Tour de France zu tun: Es gibt immer Etappen die sich landschaftlich fundamental unterscheiden – Sprintstrecken auf den Autobahnen, Serpentinen in den Bergen, Steigungen und Kletterstücke. Außerdem sorgt die Streckenkontrolle (Radar und Blitzer überall), dass man gleichmäßig die Durchschnittsgeschwindigkeit hält. Letzten Endes kommt man immer ins Ziel, und sei es nur durch den Bogen der nächsten Péage-Station.

Zieleinfahrt zur Mautstation

Und immer wieder Regen...Regen...

...Regen...Regen

Und auf einmal stehen sie vor einem - die Pyrenäen

Stetig steigend

Angekommen am Pass in 2100m Höhe

Etappenziel Andorra

In den Häuserschluchten der Hauptstadt

Der Bergstaat und Zwergstaat Andorra ist ein langgezogenes Tal mitten in den Pyrenäen, mit großer Anziehungskraft: Einerseits als Steueroase für Briefkastenfirmen, andererseits als Bettenburg für Wintertouristen. Von beiden bekam ich im Juni sehr wenig mit. Ich tat es den vielen Tagestouristen gleich, die hier preiswert tanken und Tabakwaren einkaufen…

Spanien in einem Tag wie Licht und Schatten: Vom Baskenland auf die kastilische Hochebene

Surferparadies Mundaka

Spanien empfing mich grau und rau an der Atlantikküste im Baskenland: Wolken fliegen tief und hüllen die schroffen Berge in Dunst und Nebel. So auch an diesem Tag. Keine drei Stunden später ein komplett verschiedenes Bild: Die flache Hochebene Kastiliens liegt flach wie eine Flunder vor mir, die Sonne scheint das erste Mal seit einer Woche und es wird alle 50km ein Grad° Celsius wärmer.

Ciudad Rodrigo - Ende der Spanienetappe

Am Ende der Spanienfahrt wähnte ich mich in Mexiko: Die Festungsstadt Ciudad Rodrigo hat ihren historischen Kern aus dem 18. Jh. komplett restauriert, auf dem Rathausplatz stehen noch die Kanonen von den Napoleonischen Belagerungen.

Immer mit dabei  – zur besseren Aufklärung vor Ort – ist mein Fahrrad. Erleichtert so manche Strecke, besonders im Gassengewirr der Altstadt.

Portugal

Angekommen an der Grenze

Es ändert sich auf einen Schlag alles, wenn man die Grenze überfährt: Der Spritt ist 30 Cent teurer, die trocken-braune Ebene verwandelt sich in eine grüne, hügelige Landschaft – auch die Maut gibt es wieder. Jetzt sind es nur noch 200km bis Lissabon mit seinen großartigen Brücken, die allein schon einen Artikel wert sind:

Lissabon: Ponte 25 de abril

Und immer das Surren unter den Rädern...

Lissabon: Ponte Vasco da Gama

Raus aus der Stadt – Richtung Alentejo in Südportugal

Angekommen am Ziel: Das Kap São Vicente

Steilküste mit Brandung

Am Ziel angekommen

Der Wind peitscht mir ins Gesicht – obwohl die Sonne brennt, ist es so kalt, dass ich eine Jacke anziehen muss. Von hier starteten die Entdecker vor mehr als 500 Jahren auf ihre abenteuerlichen, unbekannten Reisen aufs Meer hinaus. Auch für mich soll dieser Punkt den Beginn meiner Tour markieren…

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